Durch Corona zwischen Chaos und Struktur

Wie manage ich in beiden Welten? Arbeit-Kinder-Partnerschaft im verdichteten Raum. 

Ein Termin jagt den nächsten. Von Meeting zu Meeting hetzend, dazwischen Berichte und Reports checken, Angebote verfassen, schnell noch ein Mitarbeitergespräch bevor es dann in den Flieger zum internationalen Salesmeeting geht … Kommt Ihnen das oder Ähnliches vertraut vor? Das Managementleben vor Corona. Und was ist heute?

Eine Klientin schickte mir neulich ein Bild von sich, damit ich ihre derzeitige Situation auch bildlich vor mir hätte. Ich sehe einen großen Küchentisch, sie sitzt mit dem Headset am PC und daneben 2 Kinder (7 und 12 Jahre), ein Becher mit Buntstiften, Bücher, Hefte. Dazwischen eine grüne Kaffeetasse und die Katze, die die Anwesenheit aller sichtlich genießt.

Auf den ersten Blick wirkt das alles sehr harmonisch, aber diese Verdichtung wird auch eine enorme Herausforderung werden. Konzentration und Fokussierung ist jetzt mehr als gefragt – man sitzt quasi im kleinen Großraumbüro – Störung inklusive, ergonomisch katastrophal und im Hintergrund eventuell sichtbare Hausarbeit während der Videokonferenzen.

Was heißt das aber für uns als Homeoffice-Eltern? 

Als Eltern haben wir nun die Möglichkeit, die Resilienzfähigkeit unser Kinder zu fördern und zu entwickeln. Denn der Grundstein für Resilienz wird vor allem oder hauptsächlich in unserer Kindheit, in unserem Werden, gelegt. Wird er dort nicht gesetzt, so sind diese Faktoren nur schwer im Erwachsenenleben aufhol- oder nachlernbar. Jetzt haben wir die Chance, diese Krise auch dafür zu nützen, unsere Kinder zu stärken und in ihnen eine Widerstandskraft für Herausforderungen zu entwickeln. Eine Widerstandskraft, auf die sie als Erwachsene immer wieder zurückgreifen können. „Krise als Chance“ … wir kennen den Spruch. Aber: Diese innere Stärke wird unsere Kinder im späteren Leben leichter aus emotionalen Tiefs, Unsicherheiten in beruflichen und privaten Situationen, Ängsten vor Fremdem und Neuem herausholen. Das bedeutet nicht, dass man den „Allround-Schutz“ hat und nie in Krisen kommen wird. Nein, aber man kann sie besser oder auch schneller überstehen, aushalten oder durchleben, weil man in sich ein Grundgefühl erworben hat „ganz egal was ist, ich werde es überstehen“.

Aber wie tun, wenn die Welt plötzlich eine ganz andere geworden ist? Wenn man seine Freunde nicht mehr sehen darf und das Leben eine Isolation erfährt, wie wir es so noch nicht erlebt haben? Wie tun mit unseren eigenen Ängsten als Erwachsene?

Zuerst einmal können wir unseren Kindern zeigen, wie wir als Erwachsene mit unserer Angst umgehen. Wo und wie wir uns gesicherte Informationen beschaffen statt uns durch Fake-News verunsichern zu lassen. Wir müssen dem Nachwuchs erklären, dass es auch manchmal wichtig ist, sich an sinnvolle Vorgaben – wie wir sie gerade sehr einschränkend zu spüren bekommen – zu halten. Wir dürfen über unsere eigenen Ängste reden. Kinder sind ein sehr sensibler Resonanzkörper. Würden wir sie anlügen, springt das Unterbewusstsein (manchmal auch das bewusste Erleben) an und eine massive Verunsicherung wäre die Folge. Lachen und Spaß muss in schwierigen Situationen einen festen Platz haben. Damit meine ich nicht, dass wir verdrängen oder Sorgen weglachen. Nein! Aber Leichtigkeit darf und muss gerade jetzt auch sein, Unbeschwertheit als wichtiger stärkender Wert. Damit lernt man, dass auch die Schwere die Seite der Leichtigkeit braucht, um widerstandsfähig zu werden.

Das ist natürlich herausfordernd – zumal wir gerade jetzt nicht nur als Eltern gefordert sind sondern auch mit unseren eigenen Sorgen kämpfen. Ängste, den Job zu verlieren – und ihn vielleicht bereits verloren zu haben. Finanzielle Ängste, die unsere Existenz bedrohen. Die Kurzarbeit nimmt 10-20% vom monatlichen Einkommen weg, manchmal gibt es wenig bis keine Reserven, Schulden für das Eigenheim sind abzuzahlen, ohnehin knapp budgetiertes Familieneinkommen wird noch schwieriger zu managen. Indem wir mit unseren Kindern ehrlich, offen diese Themen diskutieren, ihnen erklären, dass es schwierig ist und dass Abstriche auf jeden in der Familie zukommen werden, aber dass man trotzdem „überleben“ wird, geben wir unseren Kindern einen guten Nährboden für Resilienz mit. Wir dürfen zeigen, wie wir als Erwachsene mit unseren Gefühlen umgehen und dass man gerade jetzt einiges akzeptieren muss, das nicht zu ändern ist. Nicht zuletzt beruhigen wir damit auch uns selbst. Also hat das Ganze auch einen wunderbaren Selbstzweck. Durch die Kinder die eigene Resilienz aufbauen.

Der Begriff Resilienz bedeutet ja: „Gedeihen trotz widriger Umstände“ – und die Umstände sind gerade mehr als widrig und werden in den nächsten Wochen und Monaten noch unsere Grenzen des Aushaltens fordern. Also rüsten wir uns! Wir sind aber nicht nur als Eltern sondern auch als Führungskräfte und/oder MitarbeiterInnen gefordert. Sich in diesen „widrigen Umständen“ gut zu verständigen, ehrlich zu informieren, Kontakt und Bindung zu halten, gibt uns auch auf diesem derzeit wackeligen Boden eine Sicherheit, die uns die Zeit aushalten und durchstehen lässt. Fehlende Transparenz würde auf Dauer das Vertrauen massiv schädigen und damit auch die Bindung – ähnlich wie bei unseren Kindern. Daher ist gerade jetzt das Gegenüber, die Person, das DU – auch wenn es zur Zeit auf über Videokonferenzen, Slack, Skype, Zoom usw. passiert – wichtig, die MitarbeiterInnen, KundInnen in Bindung zu halten. Im gemeinsamen Schmerz und Verzicht können wir auch das Wachstum und die Möglichkeiten sehen.

„Ich lebe – also bin ich“! Radikale Akzeptanz dessen, was nicht zu
ändern ist.

Wer völlig daneben steht, bemerkt, dass man daneben auch stehen kann. Wenn etwas daneben geht, sieht man, dass man daneben auch gehen kann.
Wer um Welten daneben liegt, entdeckt, dass daneben auch Welten liegen.

(Westend 2005)